Interview mit Sandra und Wolfgang Paggen

Bereits seit 1990 unterstützt die Paggen Werkzeugtechnik GmbH Ingenieurbüros, EMS Dienstleister sowie Hochschulen, Universitäten und Institute bei der Auswahl des passenden Equipments für die SMD Fertigung. Im Gespräch mit der Redaktion erläutern der Firmengründer Wolfgang Paggen und seine Tochter Sandra,
worauf sich der Erfolg des Unternehmens begründet.

Herr Paggen, vor nunmehr 30 Jahren haben Sie sich auf Basis eines Management-Buy-out gemeinsam mit Ihrer Frau Karin selbstständig gemacht. Von Anfang an haben Sie sich darauf fokussiert, das für manuell ausgeführte SMD-Prozesse erforderliche Equipment anzubieten. Welche Hürden gab es zu nehmen und was waren und sind die Erfolgsfaktoren?

Wolfgang Paggen: Bereits damals bot die SMD-Technologie Vorteile bei der maschinellen Herstellung von Platinen. Was allerdings meist noch fehlte, war Equipment für die SMD-Reparatur und das Prototyping. Erst als Werkzeuge wie das aus Lötpinzetten, Heißluftgebläse, Dispenser und Vakuumpipetten bestehende Programm „Labset“ auf den Markt kamen, war es möglich, Baugruppen und Leiterplatten zu reparieren. Ich kannte das Werkzeugprogramm Labset gut, weil ich als junger Konstrukteur an dessen Entwicklung mitgewirkt habe. Ferner war ich als Bereichsleiter schon damals mit den Anforderungen der Kunden und dem Markt vertraut. Als sich mir 1990 dann die Gelegenheit bot, dieses Werkzeug durch eine Ausgründung selbst zu vertreiben, war ich von Anfang an vom Schritt in die Selbstständigkeit überzeugt. Meine Frau hat mich dabei tatkräftig unterstützt und mir den Rücken freigehalten, indem sie die administrativen und kaufmännischen Aufgaben komplett übernommen hat. Trotzdem war es anfangs nicht leicht. So war das Werkzeugprogramm im Markt zwar gut eingeführt, jedoch wurde es zunächst nicht mit unserem Unternehmen in Verbindung gebracht. Gleichzeitig hatten Kunden immer neue Bedarfe, die wir bedienen wollten. Wir haben daher auf ein optimales Produktprogramm und auf kundenorientierten Service gesetzt. Bis heute erlaubt uns dieses Konzept, Kunden von Anfang an zuverlässig zu bedienen. Inzwischen umfasst unser Portfolio neben Werkzeugen auch Geräte für den Schablonendruck, die SMD-Bestückung und das Reflow-Löten. Ferner haben wir Bestückungsautomaten, Dispense- und Dosiergeräte und Inspektionssysteme im Programm. Weitere Schwerpunkte sind Musterbau und Prototyping, die Fertigung kleiner und mittlerer Serien sowie Reparatur und Rework. Ferner sind wir zur Stelle, sobald Bedarf an Produkten wie zum Beispiel  Nutzen- und Stegtrenner Lötrauchabsaugungen Kleinwerkzeuge Reinigungs- und Waschanlagen Mikroskope LED- und Kaltlichtbeleuchtungen und Zubehör besteht. Ein wichtiger Baustein für unseren Erfolg sind außerdem unsere loyalen und engagierten Mitarbeiter. Sie halten uns schon viele Jahre lang die Treue und tragen maßgeblich zu einer idealen Kunden-Lieferantenbindung bei. So steht unser Vertriebsteam, das wir in den letzten Jahren verdoppelt haben, unseren Kunden bei SMD-spezifische Aufgaben mit fachlicher Kompetenz und persönlicher Beratung zur Seite.

Mit dem Schweizer SMT-Equipment-Hersteller Essemtec unterhalten Sie seit Langem eine enge Verbindung. Wie kam es zu dieser Kooperation und welches Potenzial bietet diese?

Wolfgang Paggen: Ich war noch keine zwei Jahre lang selbstständig, als ich während einer Fachmesse auf einen Essemtec-Bestückungsautomaten aufmerksam wurde. Intensive Gespräche mit dem Firmengründer und damaligem Eigentümer waren dann letztlich ausschlaggebend für die bis heute andauernde Zusammenarbeit. Inzwischen hat sich Essemtec zu einem Spezialisten für hochflexible SMT Pick-and-Place-Lösungen und Dosieranlagen für das Highspeed-Dispensen und das Micro-Dispensen entwickelt. 2014 haben wir übrigens deren Vertriebsgebiet Bayern übernommen. Nun vertreiben wir hier das komplette Portfolio. Zudem hat Essemtec kurz darauf die Sparte der Halbautomaten an die Powatec GmbH verkauft. Auch hier sind wir deutschlandweit exklusiver Vertriebspartner.

Sandra Paggen: Oftmals bleiben Kunden nicht beim Prototypenbau stehen. Vielmehr übergeben sie die Fertigung häufig in einem nächsten Schritt an einen Lohnfertiger. Es kann jedoch sinnvoll sein, im eigenen Hause zu fertigen und somit das Know-how im Unternehmen zu behalten. Hier bringen wir uns mit Lösungen wie beispielsweise den Multifunktionsgeräten von Essemtec ein. Diese Anlagen können nicht nur bestücken, sondern auch Dispensen und Paste und Kleber jetten. Weil für diese Aufgaben meist mehrere Maschinen erforderlich sind, lässt sich mit den Multifunktionsgeräten Platz und Geld einsparen. Dabei profitieren insbesondere Unternehmen, die kleine und mittlere Serien herstellen.

Anfang letzten Jahres sind Sie außerdem eine Partnerschaft mit ATEcare eingegangen. Was war hierfür die Triebfeder?

Sandra Paggen: Kunden fragen inzwischen vermehrt Verfahren wie etwa AOI, SPI und die Röntgeninspektion sowie ergänzenden Lösungen für das Materialmanagement nach. In Folge dessen ergänzt das Portfolio von ATEcare das unsere nicht nur extrem gut, es ergeben sich auch Entwicklungschancen auf beiden Seiten. Zum Beispiel begleiten wir Einsteiger konsequent vom Prototyping über die Fertigung von Serien bis hin zur Reparatur fehlerhafter Baugruppen. Sobald bei einer Linie auch die automatisierte Inspektion gefragt ist, kommt ATEcare ins Spiel. Wir koordinieren die Projekte als erster Ansprechpartner und bieten Kunden somit ein Rundum-sorglos-Paket.

Wolfgang Paggen: Wir sehen immer das große Ganze, wobei Kleingeräte ein Türöffner sein können. Als echter Partner stehen wir unseren Kunden den gesamten Prozess über beratend zur Seite und nehmen uns dabei für alle Zeit. Schließlich besteht auch beim Verkauf einer kleinen, manuellen Linie ein enormer Informationsbedarf. Entwickelt sich ein Kunde dann später zu einem Weltkonzern, konnten wir ihm von Anfang an Lösungen anbieten und ein Vertrauensverhältnis aufbauen.

Frau Paggen, Sie sind 2014 in das Unternehmen eingestiegen. Welche Ideen haben Sie eingebracht?

Sandra Paggen: Bevor ich in die Firma meiner Eltern eingestiegen bin, konnte ich in anderen Unternehmen Erfahrungen sammeln. Mit diesem Hintergrund habe ich erst einmal die internen Prozesse auf den Prüfstand gestellt und mich gefragt, ob einzelne Abläufe so sein müssen. Tatsächlich habe ich festgestellt, die meisten Dinge mussten genauso sein, wie sie waren. Trotzdem habe ich einige Neuerungen eingeführt die über einen neuen Internetauftritt hinausgingen. Etwa eine neue Telefonanlage. Zudem hatten wir zwar ein eigens für unsere Zwecke programmiertes EDV-System, das sich über Jahrzehnte hinweg bewährt hatte. Jedoch war es an der Zeit, dieses zu ersetzen. Deshalb habe ich darauf gedrungen, ein cloudbasiertes Warenwirtschafts- und CRM-System anzuschaffen. Dadurch konnten wir die IT-Sicherheit in unserem Unternehmen erhöhen. Ferner kann nun jeder Mitarbeiter auch aus der Ferne auf das System zugreifen und somit von außerhalb nahezu wie im Büro arbeiten. Wie hilfreich das ist, hat sich in der aktuellen Krise gezeigt.

Wolfgang Paggen: Die Ergänzung eines für uns funktionierenden und bewährten Systems durch ein neues hat schon einiges an Expertise erfordert. Überdies hat sich gezeigt, wie vorteilhaft es ist, wenn junge Leute mit Schwung an Dinge herangehen. Mittlerweile hat uns das neue System nicht nur Geld gekostet, sondern auch Geld eingebracht.

Die nächste Generation steht also bereits in den Startlöchern. Funktioniert die Zusammenarbeit reibungslos?

Wolfgang Paggen: Die Geschäftsübergabe ist so eine Sache. Meist verlangt man von den eigenen Kindern mehr als von anderen Mitarbeitern. Freilich kann es gelegentlich auch Meinungsverschiedenheiten geben. Dann ist es wichtig, die Dinge mit einem kühlen Kopf zu betrachten. Selbstverständlich habe ich die Erfahrung. Allerdings bringt Erfahrung alleine noch keine Neuerungen. Folglich bin ich meiner Tochter für ihre Unterstützung und den neuen Schwung dankbar.

Sandra Paggen: Wenn ich noch ergänzen darf: Ich finde, bei uns funktioniert die Zusammenarbeit hervorragend. Ich bin dankbar für den Erfahrungsschatz und nutze diesen ungeniert bei jeder Gelegenheit. Allerdings ist nicht jeder für eine generationsübergreifende Zusammenarbeit geeignet. Ein respektvoller Umgang miteinander und Kompromissbereitschaft sind schlussendlich die wichtigsten Parameter. Zeitgleich gibt es Punkte, über die man sich nie einig sein wird. Dennoch können gerade diese Reibungen auch ganz plötzlich einen Lösungsansatz bringen.

Zum Schluss noch ein Blick in die Kristallkugel, Herr Paggen. Wie wird es weitergehen?

Wolfgang Paggen: Damals wie heute basieren Geschäftsbeziehungen auf Vertrauen, das man sich erst einmal verdienen muss. Nach 30 Jahren am Markt können wir dieses wesentliche Pfund in die Waagschale werfen. Wird zudem das aktuelle Geschäftsmodell nicht komplett umgeworfen, mache ich mir um die Zukunft keine Sorgen.

Herr und Frau Paggen, vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch.

Quelle: epp.industrie.dehttps://epp.industrie.de/branchenstimmen/top-interviews/ein-starkes-team/